Die Unterkünfte auf dem Jakobsweg sind schön günstig. Aber sie haben doch ihren Preis. Manchmal muss man die Nacht mit extremen Schnarchnasen verbringen. Gestern habt ihr die Geschichte über die politischen Ansichten eines Texaners auf dem Jakobsweg gelesen. Heute geht es um meinen wohlverdienten Schlaf! Und morgen gibt es eine letzte Begegnung auf dem Jakobsweg zu lesen!
Mit Pavarotti im Bett
Phhhhh. Schnauben schiebt sich durch den Raum. Prallt an den Wänden ab, an den Stangen der Hochbetten, verpufft neben quietschenden Lattenrosten. Phhhhhchrrrrr. KRRRR. Ein Grunzen bohrt sich unter die Ohropax. Die guten aus Wachs. Die, die eigentlich keine Geräusche durchlassen. Hekrrrhekrrrr. Röcheln. Laut, aber rhythmisch. Einem Takt folgend. Das Trommelfell vibriert unter dem Wachs, die Schnecke windet sich im Innenohr im Schlaf. Vorbei mit Pax, vorbei mit Frieden.
Doch plötzlich: Stille. Ein retardierendes Moment. Die Ruhe vor. PhhhKRRRheKRRRRgrrreephrrr. Forte. Nach drei Takten Atempause. Fortissimo. Lauter, schneller, vibrierender. Der Chor setzt ein. Latten quietschen, Körper wälzen sich, Fäuste schlagen auf Maratzen, begleitet vom monotonen Stöhnen. Öhhh, Ähhhh, Ohhhh.
Spitzname: Pavarotti
„Man nennt mich auch Pavarotti“, sagt der doppelbekinnte Italiener am nächsten Morgen beim Frühstück. Nicht ohne Stolz. Obwohl ihm die Schamesröte ins Gesicht steigt. Oder ist es nur die Anstrengung nach dem nächtlichen Konzert? Er hat alles gegeben. Um ihn herum nippen die Pilger ehrfürchtig an ihren Kaffeebechern, vertrauen auf die Wirkung des Koffeins.
Er schiebt sich ein Stück zuckriges Gebäck zwischen die Backenzähne. Klopft sich die Krümel von der Wampe, steht lächelnd auf und geht seinen Weg. Nicht, ohne sich vorher verabschiedet zu haben. Wir sehen uns in der Herberge 25 Kilometer von hier, sagt er noch. Mundwinkel verziehen sich, müde Augen begegnen sich, teilen ihr Leid, während Pavarotti mampfend den Muscheln und Pfeilen hinterher stapft.
Die Sonne scheint, die Vögel singen ihre Lieder, auf der Suche nach mehr Koffein trottet Pavarottis Begleitchor in ein Café. Und da sitzt er. Mit starker Stimme aber schwachem Gelenk. Die Gruppe lächelt ihn gütig an. Das Knie schmerzt? Trotz Bandage? Vorsicht! Kopfschütteln, Schulterklopfen, Ratschläge. Wirklich? Pause machen? Weniger gehen? Ja. Säuselt der Chor. Das Knie. Ausruhen.
Röcheln auf dem Jakobsweg
Ruhe, Stille, Schlaf. Frieden. Pax. Ohropax. Der Begleitchor lässt die müden Beine ohne seinen Sänger in die Betten fallen. Schlummert. Inmitten des Schnaubens und Schnarchens, das nicht im Traum an das Werk des Meisters heranreichen könnte. Doch plötzlich. KRRHEKRRRRRRR. Röcheln und Grunzen bohren sich unter die Wachsschicht. Forte, Fortissimo, mehr, lauter, röchelnder, vibrierender, schnaubender.
Und da wird dem Begleitchor klar, dass selbst Pavarotti nicht einzigartig ist. Und der Chor tut, was er tun muss: begleiten. Öhhhh, Ähhhh, Ohhh, Körper wälzen sich, Lattenroste quietschen, Fäuste trommeln auf Matratzen. Die große Nachtmusik beginnt.
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