Leben

Endlich Tacheles: Warum Urlaub nervt!

Eines meiner Fotos aus einem Urlaub.

Heute geht’s um Urlaub. Und darum, warum ich ihn verabscheue. Aber wundert euch nicht, ich beginne meinen Text mit Hochzeiten. Nicht wegen der Hochzeitsreise, die für gewöhnlich auf das Fest folgt, sondern wegen der Trauzeremonie, in der der Pfarrer, manchmal auch die Pfarrerin, seltener der freie Redner, quasi immer eine große Gemeinsamkeit des Brautpaars verrät, die ja ach so individuell klingen soll, und doch stets dieselbe ist: „Liebe Gemeinde/Liebe Gäste/Liebe Freunde und Verwandte: Kennengelernt hat sich das hübsche Brautpaar auf einer Studentenparty vor fünf Jahren und unzertrennlich sind die beiden auf ihren vielen Reisen geworden, die sie seitdem unternommen haben.“

Ich sage euch, ich war in meinem kurzen Leben schon auf unzähligen Hochzeiten und ich kann mich an kaum eine erinnern, die ohne die Reiselust der frisch Vermählten ausgekommen ist. Und obwohl ich wie gesagt das Umherirren auf dem Globus verschmähe, war es auch bei meiner Hochzeit kaum anders.

„Was macht ihr denn gerne zusammen?“, hatte der Pfarrer uns im Treugespräch gefragt. „Zum Beispiel gemeinsamen Urlaub?“ Aha! Suggestivfrage! Und so eine blöde! Der Pfarrer war in meinem Fall gleichzeitig mein Vater. Wie kommt der denn darauf, dass ich das Reisen mag?

Hat er den Familienurlaub in Plön vergessen, aus dem ich meiner Freundin Doris eine Karte mit dem P.S. „Ich wünschte, ich wäre tot“ schrieb? Konnte er sich nicht mehr an die Ferien in Cuxhaven erinnern, die ich vor allem nörgelnd verbracht habe? Wusste er nicht mehr, dass mich die ganze Familie im Kleinwalstertal den Berg hochprügeln musste? Naja. Freundlich bleiben.

„Wir wandern gerne zusammen“, sagten mein Mann und ich dann. Beim Wandern kann ich immerhin in meinem Tempo vorauseilen, die schöne Aussicht ignorieren und dann am Auto auf die lahme Schnecke warten, die zu viele Fotos macht und „das Panorama genießt“. Was auch immer das heißen soll! Beim Wandern bin ich vor allem mit mir unterwegs, auch wenn andere dabei sind. Und mal ehrlich: Welche bessere Gesellschaft gibt es neben meiner?

Aber mir ist bewusst, dass ich gewissen Erwartungen entsprechen muss. Die Deutschen machen halt nun mal Urlaub wie die Irren und sie wandern überall, wo sie hinkommen. Also gut. Mein Mann und ich wandern also gerne zusammen. So viel gemeinsamer deutscher Nenner muss sein. Und tatsächlich: Wenn es bei Hochzeiten nicht heißt: „Sie reisen leidenschaftlich gern“, so höre ich stattdessen wirklich immer wieder: „Sie lieben es, gemeinsam zu wandern.“

Aber jetzt endlich mal weg von der Heiraterei. Und hin zu meinem Plädoyer gegen den Urlaub. Meine Gründe, warum reisen nervt:

Das liebe Geld

Die meiste Zeit meines Lebens war ich eine arme Kirchenmaus. Seit ein paar Jahren verdiene ich Geld und war dann auch mal sorgenfreier im Urlaub. Davor aber habe ich mich bei jedem Kaffee, bei jedem Essen, bei jedem Souvenir oder Museumseintritt gefragt: Kann ich mir das überhaupt leisten? Es ist ja auch total bekloppt: Ein guter Urlaub kostet mindestens hunderte, wenn nicht gar tausende von Euros. Und das alles für eine ziemlich kurze Zeit. In dieser kurzen Zeit wird erwartet, dass ich mich prächtig erhole. Aber was ist mit meinem Konto? Das muss sich danach erholen. Und dafür braucht es einfach zu viel Zeit für meinen Geschmack.

Die Gesellschaft

Urlaub macht man meistens nicht alleine. „Ich fahre mit Freunden nach Fuerteventura!“, „Ich bin im Sommer mit meiner Familie in Schweden!“, „Mein Freund und ich machen einen Roadtrip quer durch die USA!“ Wie oft ich solche Sätze höre. Und jedes Mal lösen sie Beklemmungen in mir aus. Da ist ja mein Alltag freier als so ein Urlaub, in dem man ständig Kompromisse eingehen muss. Echt jetzt: Meine ersten Beziehungen sind alle in die Brüche gegangen, als ich zum ersten Mal mit meinem Partner im Urlaub war. Als mein Mann mich vor vielen Jahren zum ersten Mal fragte, ob wir zusammen ein paar Tage wegfahren wollen, hatte ich zunächst ein mulmiges Gefühl. Die ersten gemeinsamen Urlaube verliefen tatsächlich nicht ganz konfliktfrei. Aber Kaffee mit Baileys zum Frühstück war ein wirksames Mittel dafür, dass unsere Beziehung diese harte Probezeit ganz gut überstanden hat.

Der Sightseeing Zwang

Wie, du warst in Madrid und bist nicht ins Prado gegangen? Du hattest keine Lust, in Paris die Kirche Notre Dame zu besuchen? Du warst schon zig Mal in Köln ohne den berühmten Dom zu betreten? Ja, ja und ja! Wieso kann ich nicht einfach machen, was ich will? Der Rechtfertigungsdruck nach dem Urlaub ist ja nur die eine Seite der Medaille. Schlimmer ist es, wenn ich meine freie Zeit mit jemandem verbringe, der die Liste der Sehenswürdigkeiten unbedingt abhaken muss. Einen Kaffee mit Baileys bitte! Und noch einen to go! So geht’s dann doch irgendwie.

Überall andere Deutsche

Egal wo ich hinkomme, immer waren schon andere Deutsche da. Und sie waren es nicht nur, sie sind es. Jetzt, gleich, immerdar. Während ich in einem Café auf der anderen Seite der Erdkugel sitze, sitzt am Nebentisch ein anderes deutsches Pärchen. Im Shopping-Center fernab meiner Heimat stellt ein Kunde mit verdächtigem deutschem Akzent eine blöde Frage. Im Supermarkt tausende von Kilometern entfernt von meiner Heimat stromert eine deutsche Familie neben mir durch die Gänge und unterhält sich über ihre nächsten Sightseeing Touren. Und sie brauchen nicht mal was zu sagen, diese Deutschen. Ich erkenne sie auf zehn Meter Entfernung. Vor allem an ihren Funktionsklamotten. Ja gut, die hab ich dann vielleicht auch gerade an. Aber ich bereite mich halt gerade auf eine Wandertour vor. Was soll ich machen? Es ist eben praktisch. Ich glaube, das ist das schlimmste am Urlaub: Ich werde ständig und an jeder Ecke an mein eigenes Deutschsein erinnert. Und irgendwie gehört es halt zum Deutschsein dazu, sich darüber nicht zu freuen.

Und jetzt? Nie wieder Urlaub?

Hach ja. Irgendeine Art des Fernwehs schlummert auch in mir. Das bekommt man wohl mit dem deutschen Ausweis mitgeliefert. Und ich gebe zu, dass ich durchaus ein paar positive Erinnerungen an Urlaube habe. Aber niemandem weitersagen! Ich bin noch unentschlossen, ob ich mich horrend verschulden sollte, um „leider“ nie wieder in den Urlaub fahren zu können, oder ob die Chance nutzen sollte, in meiner Lebenszeit einen möglichst hohen ökologischen Fussabdruck durch viel Reiserei zu hinterlassen. Wäre ja eigentlich schade, wenn ich nach meinem Ableben kaum Spuren hinterlassen würde, oder?

Endlich Tacheles: Warum Urlaub nervt!
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2 Comments

  • Reply
    Katharina
    23. Juni 2017 at 14:00

    Hihi, Urlaub ist stressig :-). Sehr lustiger Blog, und schön, dass du morgen bei uns nicht im Urlaub bist.

    • Reply
      evamell
      23. Juni 2017 at 20:28

      Ohne Scheiß! Ich hab seit heute Herpes an der Unterlippe. Wahrscheinlich aus Nervosität vor der großen Tour morgen ;-P Aber nee, bei der einheimischen Bevölkerung bin ich eigentlich immer ganz gerne. Das fühlt sich so untouristisch an!

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