Hypnose: Ganz anders als ihr immer dachtet
Wusstet ihr, dass ihr unter Hypnose immer bei Bewusstsein bleibt und dass ihr damit sogar euer Immunsystem steuern könnt? Fakten rund um die Hypnose.
Vor einiger Zeit habe ich euch erzählt, dass ich bei der Hypnose war, um meine Angst vor Hunden loszuwerden. Eine total abgefahrene Erfahrung! So richtig wusste ich vorher nicht, was mich erwartet. Ich hatte gedacht, ich bin dann zwei Stunden lang quasi weg, bekomme nichts mit und erfahre nachher, was mein Unterbewusstsein zu der Sache zu sagen hatte. Ich dachte wohl tatsächlich, das Ganze würde ungefähr so ablaufen:
Tja, das Klischee stimmt aber nicht. Es kam alles anders, wie ihr hier lesen könnt. Weil ich so wenig über Hypnose wusste, das aber ein unfassbar spannendes Thema ist, habe ich für euch kein Anstrengungen gescheut und die wichtigsten Antworten rund um die Hypnose recherchiert.
Die Antworten kommen von Harald Krutiak, Psychotherapeut und Ausbilder im Bereich Hypnose bei der Milton Erickson Gesellschaft. Bei ihm dauert die Ausbildung zwei bis drei Jahre.
Was ist eine Trance?
Wer hypnotisiert wird, gerät in eine Trance. Dieses Wort kennen wahrscheinlich die meisten Menschen. Aber was genau ist das? Laut Harald Krutiak ist Trance durch zwei Charakteristika bestimmt: „Trance ist ein Zustand fokussierter Aufmerksamkeit“, sagt er. „Und es ist ein Wechsel von ‚ich mache’ zu ‚es geschieht’.“ Klingt erst einmal kompliziert, ist es aber eigentlich gar nicht.
Harald Krutiak erklärt diesen Wechsel folgendermaßen: „Viele Menschen kennen es, dass man jemanden auf der Straße sieht, den man kennt, aber dessen Name einem partout nicht einfallen will. Später ist die Antwort auf einmal ganz von selbst da.
Das passiert zum Beispiel vor dem Einschlafen, wenn das Gehirn im sogenannten Alpha-Zustand ist, wenn die Gedanken kommen und weiterziehen und ich nicht mehr aktiv nach der Antwort suche. Denn die aktive Suche kann blockieren, dass die Antwort ins Bewusstsein gelangt.“ Der Alpha-Zustand ist also entscheidend für den Zustand der Trance.
Mit einem EEG kann man die Gehirnströme messen. In unserem Alltag befinden wir uns meist im Beta-Zustand, der eine Frequenz zwischen 13 und 21 Hz hat. Der Alpha-Zustand hat eine Frequenz zwischen 8 und 12 Hz und ist ein Zustand leichter Entspannung, in dem man sich auch unter Hypnose befindet. In diesen Zustand gelangen wir in manchen Phasen des Tags von ganz allein, zum Beispiel kurz vor dem Einschlafen. Man kann ihn aber auch bewusst hervorrufen.
Harald Krutiak: „Das gelingt, indem ich die Aufmerksamkeit meines Gegenübers auf bestimmte Dinge fokussiere. Ich nutze zum Beispiel gerne eine spezielle Atemvorstellung. Man stellt sich vor, man würde durch das linke Nasenloch einatmen, durch das rechte aus, durch das rechte ein, durch das linke aus und so weiter.“
Dadurch, so Krutiak, fangen die Augen an, sich pendelförmig zu bewegen. Wenn die Augen sich hin und her bewegen, erzeuge das im Gehirn Alphawellen. Denn die Augenbewegung sei eng mit der Gehirnaktivität verknüpft. „Kleine historische Fußnote: Das klischeeträchtigste Accessoire der Hypnose ist das Pendel und hat genau dieselbe Funktion“, erklärt Harald Krutiak.
Wichtig bei alledem ist: Eine Trance ist entgegen gängiger Vorurteile (siehe letzte Frage) kein Zustand der Bewusstlosigkeit oder des Kontrollverlustes. Ein Mensch in Trance bleibt bei Bewusstsein und behält die ganze Zeit die Kontrolle über das, was geschieht.
Was geschieht während der Hypnose?
Bei der Hypnose erhält man Zugang zum Unterbewussten. „Das Bewusstsein und das Unterbewusstsein sind zwei Wahrnehmungsebenen“, erklärt Harald Krutiak. „Während wir miteinander sprechen, haben Sie wahrscheinlich gar nicht darauf geachtet, ob sich der linke oder der rechte Fuß wohler fühlt. Die Information war da, aber sie war unbewusst. Als Sie Ihre Aufmerksamkeit darauf gelenkt haben, ist sie bewusst geworden.“ Stimmt! Mein linker Fuß fühlt sich wohler.
Und was genau bezweckt man mit Hypnose? Harald Krutiak nimmt meine Angst vor Hunden als Beispiel, um mir den Sinn und Zweck von Hypnose zu erklären: „Bei der Hypnose werden im Gehirn neue Verknüpfungen geschaffen.“
Und weiter: „Bisher hat das Bild eines Hundes bei Ihnen ein neuronales Netzwerk in Gang gesetzt, das dafür gesorgt hat, dass Sie Angst erleben. Mit Hypnose kann ein neues Netzwerk verknüpft werden, das Hunde mit etwas anderem verbindet.“
Welche Art von Hypnose wird angewandt?
Harald Krutiak arbeitet mit der Methode von Milton Erickson. Der Amerikaner Milton Erickson, geboren 1901 und gestorben 1980, war Psychologe, Psychiater und Psychotherapeut – und hat die Hypnose, wie sie heute zu Therapiezwecken angewandt wird, stark geprägt.
Eines seiner Verdienste: Er legte Wert darauf, dass für jeden Patienten ein individueller Zugang zum Zustand der Trance gefunden werden müsse. Er individualisierte die Hypnose also.
Und er war überzeugt, dass das Unbewusste jedem Patienten viele verschiedene Möglichkeiten zur kreativen Selbstheilung biete. Sein Ansatz: Das Bewusstsein sollte Zugang zu unbewussten Selbstheilungskräften erhalten.
Das war damals ein absolut unüblicher Zugang in der Psychotherapie – doch Milton Ericksons Methode verbreitete sich rasch über die USA hinaus.
Seine Art der Hypnose ist selbstverständlich nicht die einzige, die es gibt, aber die einzige, die bei den großen deutschen Gesellschaften für Hypnose angewandt wird (siehe nächste Frage).
Wie finde ich einen Hypnotiseur?
„Hypnotiseur ist kein geschützter Begriff. Jeder kann sich so nennen“, sagt Harald Krutiak. In Deutschland gebe es folgende Gesellschaft für Hypnose, die hohe Ausbildungsstandards haben: Die Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie (DGH), die Milton Erickson Gesellschaft für klinische Hypnose (MEG), die deutsche Gesellschaft für zahnärztliche Hypnose (DGZH) und die deutsche Gesellschaft für ärztliche Hypnose und autogenes Training (DGÄHAT).
Bei diesen Gesellschaften werden laut Harald Krutiak nur Ärzte, Zahnärzte und Psychologen ausgebildet. Er selbst ist Ausbilder bei der MEG. Bei ihm dauere die Ausbildung zum Hypnotiseur zwei bis drei Jahre.
„Bei allen anderen Gesellschaften in Deutschland als den genannten sind minderqualifizierte Therapeuten“, sagt Harald Krutiak. „Es gibt Personen, die nur an ein paar Hypnosewochenenden teilnehmen und keinen psychologischen Hintergrund haben.“
Auch sie können sich Hypnotiseure nennen. Ihre Fachkompetenz ist aber nur schwer zu überprüfen. Harald Krutiak empfiehlt daher, auf den Internetseiten von DGH, MEG, DGZH und DGÄHAT die Therapeutenliste durchzugehen, wenn man einen Hypnotiseur sucht.
Wie ist der Ablauf, wenn ich zum ersten Mal zur Hypnose komme?
„Ganz klar ist, es braucht ein ganz ausführliches Vorgespräch“, sagt Harald Krutiak. Bei ihm dauere es für gewöhnlich 50 bis 60 Minuten. Am Ende des Gesprächs stellt er eine Diagnose und entscheidet, ob Hypnose das geeignete Mittel zur Therapie ist.
Zudem klärt er, ob eindeutige Gründe gegen eine Hypnose sprechen. „Wenn zum Beispiel jemand eine Psychose in der Vergangenheit hatte, ist Hypnose nicht empfehlenswert. Auch bestimmte Medikamente schließen eine Hypnose aus.“
Meist dauere eine Hypnosesitzung bei ihm in etwa drei Stunden. Und in einigen Fällen könne eine einzige Sitzung ausreichen, um zum Beispiel eine Hundephobie erfolgreich zu behandeln.
Was kann mit Hypnose behandelt werden?
Harald Krutiak nennt mir eine Auswahl typischer Leiden, die mittels Hypnose behandelt werden können: Zu den Klassikern gehört die Rauchentwöhnung, aber auch das Essverhalten, zum Beispiel bei Übergewicht, kann mit Hypnose behandelt werden, genau wie Essstörungen, diffuse Ängste, Phobien wie zum Beispiel meine Hundephobie, psychosomatische Krankheiten – und Immunstörungen.
Auf letzteres ist Harald Krutiak spezialisiert. Er behandelt auch Personen, die an Krebs oder Multipler Sklerose erkrankt sind. „Ich hatte bei Multipler Sklerose schon Fälle, da hatte die Person durch die Hypnose keine weiteren Schübe – bis jetzt. Aber ganz wichtig ist, dass die Behandlung durch Hypnose nie in Konkurrenz zu einer schulmedizinischen Behandlung steht.“
Kann man sich auch selbst hypnotisieren?
Mehr als das: Harald Krutiak sagt, dass wir den ganzen Tag lang gar nichts anderes tun als uns selbst zu hypnotisieren: „Wenn ich denke, die Menschen wollen nur das Beste, dann ist eine Form von Trance, mit der ich durch die Welt gehe. Wenn ich denke, alle Menschen wollen nur Böses, dann ist das auch eine Form von Trance.“
Gezielte Selbsthypnose könne man lernen: „Bestimmte Techniken erleichtern die Selbsthypnose. Denn dann hat das Ganze etwas Ritualisiertes“, sagt er.
Welche Vorurteile begegnen Hypnotiseuren immer wieder?
Das Bild der Hypnose sei in der Gesellschaft unglücklich verzerrt, sagt Harald Krutiak. Viele Menschen, die er behandle, fürchten zunächst Kontrollverlust und Bewusstlosigkeit.
Er sage dann gerne: „Ich möchte Sie hypnotisieren, nicht narkotisieren.“ Woher diese Vorurteile kommen? Sicher auch aufgrund von Show-Hypnotiseuren, die Menschen immer mal wieder nach ihrem Einverständnis wie ein Huhn gackern lassen.
Aber es sei auch einfach ein alter Mythos, der einfach nicht verschwinden wolle. Die Wahrheit aber ist: Der Hypnotisierte bleibt auch im Zustand der Trance bei Bewusstsein und behält die ganze Zeit die Kontrolle über das Geschehen.
3 Comments
Sönke Reinke
23. Januar 2018 at 01:16Ja danke dir, ich werd mir deine links die Tage mal ansehen. Danke für die schnelle Antwort ?
Sönke Reinke
22. Januar 2018 at 04:39Moin moin, mal ne Frage;
Vor mitlerweile 13-15 Jahren hatte ich mit Hilfe einer bekannten geschafft mich in eine von ihr definierten Welt.. Ein Feldweg der zu m Strand führt wo ich dann liege und die Sonne spüre zu versetzen. (Entspannte Musik, monotone Sprache: Du spürst wie die eingeatmet Luft jedes Teil deines Körpers passiert, …,…, deine Glieder werden schwer,…,.., du bist am Stand und dein Geist ist frei von Lasten, etc..) Zum wach werden nahm sie dann eine Glocke.. Mit Übung konnte ich das alleine und habs scheinbar geschafft so viele Erinnerungen zu verdrängen..irgendwann konnte ich das nicht mehr, ich komme einfach nicht mehr in diesen, wie er hier beschrieben wird trance-Zustand.. ich würde gerne meine Erinnerungen versuchen aufzufrischen oder wieder so wie damals binnen weniger min. Auf diesem Weg entspannt werden.. Wissen Sie woran es liegen kann das das mit dem meditieren/selbsthypnose nicht mehr klappt? -MfG
evamell
22. Januar 2018 at 09:34Hallo!
Das klingt doch schon mal toll, dass es mal geklappt hat! Woran genau es liegt, dass es im Moment nicht mehr zu funktionieren scheint, kann ich nicht sagen. Aber ich kann zwei Bücher empfehlen, die ganz toll in das Thema einführen und auch zur Selbsthypnose anleiten: https://www.amazon.de/Selbsthypnose-Ein-Handbuch-zur-Selbsttherapie/dp/3896708422/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1516609591&sr=8-2&keywords=selbsthypnose
und: https://www.amazon.de/Negative-Emotionen-umbauen-genialen-Erickson/dp/3903155462/ref=sr_1_fkmr1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1516609684&sr=1-1-fkmr1&keywords=dr.+christian+ziegler+hypnose
Das Buch von Dr. Ziegler ist kompakter und er stellt darin seine hypnotische Gefühlsmeditation vor. Das ist eine besonders einfache Art der Hypnose/Meditation. Bei mir hat sie super geklappt. Dr. Ziegler ist Schweizer und bildet in der Schweiz Hypnotiseure aus. Er hat auch ein paar Einführungsvideos auf seiner Internetseite: http://www.praxis-ziegler.ch
Ich persönlich finde es einfacher, über professionelle Hilfe den Einstieg in die Selbsthypnose zu finden, als es völlig allein auszuprobieren. Vielleicht helfen ja die Bücher/Videos doch, aber ansonsten lohnt sich vielleicht auch mal ein Besuch bei einer Fachperson. Die deutsche Gesellschaft für Hypnose listet Therapeuten auf, die zur Gesellschaft gehören: http://dgh-hypnose.de/zur-behandlung-mit-hypnose
Bitte unbedingt zu jemandem gehen, der auf so einer offiziellen Liste steht. Diese Personen sind sehr lange ausgebildet worden und haben auch eine psychologische/medizinische Ausbildung. Da Hypnotiseur kein geschützter Begriff ist, weiß man ansonsten nicht so recht, woran man gerät. Ich hoffe, ich konnte ein wenig weiterhelfen.