Mein hassgeliebtes Messie Zimmer
Warum ich einen Raum der Schande brauche
Drei Personen, drei Zimmer: So einfach ist die Rechnung bei uns. So einfach klingt sie zumindest. Denn drei Personen und drei Zimmer ist irgendwie ganz schön wenig. Mein Mann, meine Tochter und ich, wir hausen auf etwas mehr als siebzig Quadratmetern und können uns abwechselnd im Schlafzimmer, in der Küche, im Wohnzimmer, im Bad und im Flur aufhalten. Wow, fünf Möglichkeiten! Aber halt, streng genommen nur zwei Zimmer, oder? Jep. Es gibt tatsächlich noch ein weiteres Zimmer. Eines, dessen Tür wir für gewöhnlich streng verschlossen halten.
Willkommen im Messie Paradies
Was da drin ist? Der böse Zwilling unseres lieben Babys? Eine riesige Sammlung Superfood, weil die Küche viel zu klein ist? Ist sie wirklich! Ein Äffchen, das wir aus dem Zoo geklaut haben, weil es so süß war? Nein, fast und Nein! Ich traue mich ja fast nicht, es zuzugeben. Soll ich wirklich? Bitte verachtet mich nicht!
Es ist: ein Messie Zimmer! Und Nein, das ist kein Tippfehler. Ich meine kein Zimmer mit einem Schrein für den Fußballer Lionel Messi. Ok, das wäre auch irgendwie peinlich. Aber hierbei handelt es sich um ein waschechtes Messie Zimmer! Messie! Leute, die nicht Ordnung halten können! Ich! Wir!
Es hatte alles einmal so vielversprechend angefangen. Mein Mann und ich sind in diese Dreizimmerwohnung gezogen und konnten unser Glück kaum fassen. Platz ohne Ende! Geradezu villenhaft kam uns unser neues Zuhause vor. Was nur mit dem völlig überflüssigen dritten Zimmer machen? Die Ideen flossen nur so aus uns heraus wie die Kotze nach einer durchzechten Nacht. Es war herrlich!
So viel Platz wie in Mary Poppins Handtasche
Ein Sportzimmer mit Laufband! Ein Arbeitszimmer! Ein Musikzimmer mit Instrumenten! Eine Bibliothek! Wir konnten uns kaum entscheiden – und das haben wir auch nicht getan. Alles, ja wirklich alles davon schien Platz zu haben auf den unfassbaren zehn Quadratmetern. Es schienen zehn Mary Poppins Quadratmeter zu sein. Es passte immer und immer noch mehr rein.
Und eines schönen Tages wurde unser Baby geboren. Ein klitzekleines Wesen, das sich aber seit es auf der Welt ist mit seinem Spielzeug, den Windeln, Cremes und Miniaturklamotten wie ein Pilz in unserer Wohnung ausbreitet, die wie von Zauberhand von einer märchenhaften Villa zu einem Hobbit Einzimmer-Apartment geschrumpft zu sein scheint.
Einmal pro Woche räumen mein Mann und ich unser vor lauter Ballast bald sinkendes Hausboot auf. Ordnung muss sein. Leider. Dann wuseln wir durch die Wohnung, bewegen Gegenstände von A nach B oder auch gleich nach G und rufen uns gegenseitig zu: „Wo soll der Maxi Cosi hin?“ „Hat die Spiegelreflexkamera jetzt endlich einen festen Platz?“ „Was machen wir denn jetzt mit der Kiste voller Weihnachtsgeschenke?“
Und die Antwort lautet stets mit einer Mischung aus Verzweiflung, Erleichterung und Resignation: Messie Zimmer! Danach lachen wir ein bisschen irre und suchen da drin ein freies Plätzchen.
Erst gehasst, dann geschätzt
Zwischendurch habe ich das Messie Zimmer gehasst, wie man den Pickel hasst, der wochen- oder gar monatelang nicht verschwinden will. Es war mir zuwider wie der feuchte Film der nach dem Leeren des Biomülleimers zurückbleibt. Ich habe es verabscheut wie die verendeten Fliegen auf seinem Fenstersims. Es war mein dunkles Geheimnis, das niemand sehen sollte.
Doch wenn ich es mir recht überlege, tue ich meinem Messie Zimmer unrecht. Und dafür möchte ich mich hier und jetzt bei ihm entschuldigen. Danke, liebes Messie Zimmer, dass es dich gibt. Nur deinetwegen kann ich Besuchern vortäuschen, ich sei ein ordentlicher Mensch. Nur mit deiner Hilfe fühle ich mich einmal in der Woche nach dem Aufräumen so richtig wohl. Und nur dank dir geht dieses Aufräumen sogar richtig schnell. Bleib mir treu, ich bleibe es dir bestimmt.
Aber jetzt mach dich unsichtbar, es hat geklingelt. Ich bekomme Besuch – zum Glück habe ich gestern Abend aufgeräumt!
Und hier lest ihr, wie ich die Unordnung erfolgreich vom Messie-Zimmer in den Flur verlagert habe.
No Comments