//Enthält unbezahlte Werbung wegen Nennung von Ebay Kleinanzeigen//
Gebrauchtes einkaufen für Dummies
Wie ich einen Laufstall gebraucht und somit schadstofffrei kaufen wollte und doch nicht ohne Schaden davon kam
Endlich Zeit, zu schreiben! Das Baby spielt in seinem neuen Laufstall. Wobei „neu“ an dieser Stelle ein relativer Begriff ist. Ich habe das tadellos aussehende Teil gebraucht bei Ebay Kleinanzeigen gekauft – so wie das Babybett, die Wiege und den Kinderwagen.
Der Einkauf gebrauchter Babysachen hat gleich zwei Vorteile: Die Dinge kosten nur einen Bruchteil des unverschämt hohen Originalpreises. Und: Die Schadstoffe sind schon raus. Da ich für mein Baby natürlich nur das Beste will, kommt mir die Kombination beider Vorteile natürlich sehr gelegen. Es gibt an der Sache allerdings ein klitzekleines Problemchen: Man muss mit anderen Menschen kommunizieren. Und jetzt erfahrt ihr, wieso ich mich nach dem Kauf des Laufstalls am liebsten selbst darin eingesperrt hätte.
Fertig, unausgeschlafen, verpeilt
‚Großartig, ein sehr gut erhaltener Laufstall aus Holz mit Matratze direkt im selben Ort’, dachte ich, als ich die Anzeige des Inserenten gefunden hatte, der nur zehn Autominuten von mir entfernt wohnt. Wie ich es immer bei Ebay Kleinanzeigen tue, schrieb ich ihn in lockerem Ton an und unterschrieb nur mit meinem Vornamen.
Wie so oft kam eine höfliche Antwort zurück, in der der Absender die persönliche Anrede mit „du“ oder „Sie“ vermieden hat. Stattdessen: Als Unterschrift nur den ersten Buchstaben des Vornamens plus den Nachnamen. Wie anstrengend. Aber egal. Wir müssen ja nicht gleich beste Freunde werden, es geht ja vor allem um den Tausch von Waren gegen Geld. Und wir sind hier zugegebenermaßen nicht bei Ikea, wo sofort jeder geduzt wird.
Mir war schon klar, dass der ausgemachte Zeitpunkt für die Warenübergabe ein wenig Stress für mich bedeuten würde. Trotzdem sagte ich zu. Ich habe wohl nicht realisiert, wie fertig, unausgeschlafen und unendlich verpeilt ich tatsächlich war.
Zu meiner Entschuldigung vorab: Ich habe den Laufstall an dem Tag abgeholt, an dem ich meinen Mann um 7 Uhr morgens zum Bahnhof fahren musste, weil er für eine Woche von der Arbeit aus in die USA geflogen ist. Er hatte in den Wochen davor in jeder freien Minute gearbeitet – was auch heißt, dass ich mich irgendwann wie eine alleinerziehende Mutter gefühlt habe: Baby, Baby, Baby, rund um die Uhr.
Ich habe ohne meinen kleinen Schatten kaum einen Schritt getan. Gegen Ende müssen sogar unsere Gehirne miteinander verschmolzen sein. Anders ist die Laufstall-Affäre nicht zu erklären.
Verkaufsgespräch für Rückgeschrittene
Ich also mit Baby hin zur Laufstall-Familie, die in einer extrem engen Straße wohnt. Ding Dong – „Kommen Sie rein, einfach den Flur entlang ins Wohnzimmer“, begrüßte mich der Herr des Hauses. Aha, wir sollten uns also siezen.
Im Wohnzimmer: Seine Frau sowie zwei Mädchen und ein Junge zwischen zwei und sechs Jahren, die um uns herum wuselten. Ich unterhielt mich mit der Frau, ich weiß schon gar nicht mehr worüber, als ich im Augenwinkel auf einmal die Hand ihres Manns wahrnahm, die sich zielsicher in meine Richtung hin streckte. „Und wie heißt du?“, schallte seine Stimme in mein linkes Ohr.
Ich drehte mich um, schüttelte seine Hand und hörte mich noch im selben Moment „Eva“ sagen, in dem mir auffiel, dass er mit dem Baby auf meinem Arm gesprochen hatte. „Und das ist Nora“, schob ich hinterher. Er lächelte. Ab diesem Moment duzten wir uns.
Irgendwann im Laufe des Smalltalk habe ich angemerkt, dass Babyspielzeug ja so teuer sei und ich noch kaum etwas hätte. Ehrlich, ich wollte nicht betteln, aber als die Dreifachmama mit ihrem Jüngsten auf dem Dachboden verschwand und kurz darauf mit einer Auswahl Holzspielzeug zurückkehrte, das sie mir mit den Worten „Schenk ich dir“ überreichte, nahm ich sie natürlich gerne und demütig an – und freute mich besonders, denn: Die Teile sind bestimmt auch schon schadstofffrei!
Währenddessen lud ihr Mann meinen Einkauf in mein Auto ein. Jedenfalls versuchte er es. Der Kofferraum war zu klein. Hätte ich ja auch vorher mal drüber nachdenken können. Kein Problem, versicherte er mir. Er habe einen kleinen Bus, mit dem er mir die Sachen nach Hause bringen könne.
Wahnsinn! Mein Auto kann tanzen!
„Fahren wir am besten da hinten über den Acker“, sagte er mir und zeigte in die Ferne. In meinem Gesicht: Ein großes Fragezeichen. Es folgte ein erklärendes Bla bla seinerseits und das Angebot, dass er vorausfahren könne, er müsse nur noch kurz mit seinem Bus bla, wegen der Teile bla bla. Man, war ich müde.
Es folgte ein extrem verwirrender Tanz unserer Autos, bei dem sie mal voneinander weg fuhren, sich mal tief in die blinkenden Augen schauten, mal rückwärts, mal vorwärts übers Asphaltparkett glitten, sich erst annäherten, als seien sie zwei Magneten, und sich dann wieder voneinander entfernten. Es war faszinierend! Und wir nutzten dabei jeden Winkel dieser extrem engen Straße aus.
Am Ende brach mein Tanzpartner die Choreographie ab und fuhr in Richtung Hauptstraße. Ich hatte ihm wohl den Weg zum Acker versperrt. Hups. Ich verfluchte mein matschiges Hirn und fuhr ihm hinterher.
Bei mir angekommen stieg ich aus dem Auto und setzte ein paar Mal zu oft dazu an, mich zu entschuldigen. Mein Baby wartete derweil im Auto. „Kümmer dich jetzt mal um dein Kind, ich trage die Sachen hoch“, sagte er und wartete darauf, dass ich ihm endlich zeigen würde, in welchem Haus ich wohne.
Willkommen bei den Messies
Erst jetzt bekam ich beim Gedanken an den Zustand meiner Wohnung ein mulmiges Gefühl. Woher hätte ich wissen sollen, dass heute noch jemand mein Messie-Zuhause betreten würde?
Auf dem Boden lagen Noras Spielzeug, meine Socken, ein Haufen Schuhe sowie ein paar T-Shirts meines Manns, auf dem Sofa jede Menge Zeitschriften und dazwischen überall verstreut benutzte Tassen, Teller mit eingetrockneten Essensresten – und ich glaube, es wäre auch mal wieder an der Zeit gewesen zu lüften.
Mein ungeplanter Besuch ließ sich nichts anmerken und sagte vor dem letzten Gang zum Auto: „Wenn du mir die Tüte aufmachst, bau ich dir den Laufstall auch noch auf.“ Auf dem Sessel lag eine Tüte mit Laken für die Matratze des Laufstalls. ‚Warum auch immer’, dachte ich mir. ‚Aber bitteschön, dann mache ich sie eben auf.’
„Ja wo sind denn nun die Teile?“, fragte er, als er wieder zurück war. Die Teile? „Naja, ich hab halt die Tüte aufgemacht“, stammelte ich so vor mich hin. Da griff er in die Laken-Tüte und zog eine weitere Tüte hervor, in der die kleinen Teile zum Zusammenbauen des Laufstalls waren. ‚Chaos, friss mich auf, mach mich unsichtbar’, wünschte ich mir in jenem Moment und sagte nur leise: „Achso.“
Und während er den Laufstall aufbaute, der ab jetzt völlig schadstofffrei in meiner Wohnung stehen sollte, redete ich so vor mich hin: Irre müde, Mann auf Geschäftsreise, Spülmaschine kaputt. Er lächelte tapfer.
Als er schließlich gehen wollte, bückte ich mich noch schnell nach der blauen Jacke, die vor mir auf dem Boden lag. Bevor ich sie aufräumen konnte, um das Chaos ein wenig zu minimieren, nahm er sie schnell an sich und zog sie an. Es war seine – nicht meine. Oh man!
Schadstofffrei? Jein!
Ein paar Tage später erzählte ich meiner Mutter von dem Laufstall-Fiasko. „Kennst du die Familie?“, fragte ich sie. Als Erzieherin in einem der örtlichen Kindergärten kennt sie viele Familien mit kleinen Kindern. Und tatsächlich: Die mittlere Tochter geht in ihre Gruppe. „Grüß die Familie mal von mir“, bat ich sie – vielleicht würde mich der direkte Verwandtschaftsgrad zur kompetenten Erzieherin wieder in ein besseres Licht rücken. „Auf keinen Fall“, antwortete sie mir. „Mit dir will ich nicht in Verbindung gebracht werden.“
Autsch! Der Laufstall ist vielleicht schadstofffrei. Aber irgendein Schaden muss wohl bei jedem Einkauf entstehen.
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