Weihnachten soll ja eine Zeit sein, in der Frieden im Vordergrund steht, nicht wahr? Das ist meistens allerdings nicht ganz einfach. Denn normalerweise glotzen Familienmitglieder nicht andächtig auf das Jesuskind in der Krippe, sondern ergreifen die Gelegenheit des jährlichen Beisammenseins, um Konflikte mal so richtig schonungslos auszutragen.
Aber vielleicht ist Weihnachten gerade deshalb die optimale Zeit, über Krieg und Frieden, Utopie und Realität, Wunsch und Wirklichkeit nachzudenken.
Blogparade #darumfrieden
Wie passend, dass die Organisation Weltfriedensdienst eine Blogparade zum Thema „Was kann Frieden bewirken?“ ausgerufen hat! Unter dem Hashtag #darumfrieden darf noch bis zum 21. Dezember zu dem Thema gebloggt werden.
Als ich die Blogparade entdeckt habe, musste ich an eine Kurzgeschichte denken, die ich in der 3. oder 4. Klasse geschrieben habe. Ich habe damals mit meiner Freundin Frauke seitenweise Geschichten geschrieben. Diese hier kommt mit wenigen Sätzen aus, manchmal sogar mit zu wenigen Buchstaben, aber es steckt einiges dahinter, wie ich finde:
Schlafender Krig
Es ist Krieg. Da kommt Mutter Natur. Und jetzt schläft der Krig.
Ein Meisterwerk aus der Sauklaue meines jüngeren Ich, findet ihr nicht auch? Ich nutze nun einen Abend in der Vorweihnachtszeit, um über diese Geschichte zu sinnieren, während mein Mann neben mir auf dem Sofa sitzt und mit einer Spielekonsole in der Hand als Batman irgendwelche Bösewichte verprügelt. Aber zurück zum Thema:
Was soll dieser Text, was sollen diese drei Sätze, die ich als Kind geschrieben habe, eigentlich bedeuten? Ich habe es damals vielleicht schon geahnt und es ist tatsächlich so, dass Wetter und Klima, also niemand anderes als Mutter Natur, immer schon eine enorme Auswirkung auf kriegerische Auseinandersetzung zwischen Menschen hatten.
Kriege und Naturkatastrophen
Ein paar Beispiele: Laut einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und der Humboldt Universität (HU) Berlin aus dem Jahr 2016 gibt es einen erstaunlichen Zusammenhang zwischen Kriegen und Naturkatastrophen. Die Forscher analysierten, dass Naturkatastrophen wie Hitzewellen oder Dürren bewaffnete Konflikte stark befördern können. Näheres dazu könnt ihr in diesem Spiegel-Artikel nachlesen.
Aber das Wetter nimmt auch Einfluss auf den Ausgang von Kriegen, die aus welchen Gründen auch immer entstanden sind. Berühmt-berüchtigt sind die russischen Winter, die ganze Heere zu Fall gebracht haben. Nicht nur Nazideutschland ist dort ordentlich eingefroren. Auch Napoleons Russlandfeldzug Anfang des 19. Jahrhundert ist am Wetter gescheitert.
Mutter Natur kam mit einer eisigen Decke und hat unzählige Krieger in einen Schlaf befördert, aus dem sie nicht mehr aufgewacht sind. Eine kleine Zusammenstellung wetterbedingter Kriegsausgänge findet ihr übrigens hier.
Wie der Mensch mit dem Wetter Krieg führt
Ja, es scheint, als hätte Mutter Natur Waffen, die auch die kriegslustigsten Menschen nicht bezwingen können. Doch die Beeinflussung des Wetters ist bereits selbst zu einer Kriegswaffe geworden, wie ihr ebenfalls hier nachlesen könnt. Im Vietnamkrieg etwa haben die USA versucht, den Monsunregen mit Hilfe chemischer Substanzen zu verstärken, die Flugzeuge abgaben. Zwar sind solche Umweltmanipulationen seit 1977 durch die UNO verboten worden, aber dass sich nicht die ganze Welt daran hält, ist ja logisch.
Doch nicht nur das Wetter oder das Klima beeinflussen Kriege. Meine Kurzgeschichte spricht ganz eindeutig von Mutter Natur. Also von einer Frau, die dafür sorgt, dass der Krieg unterbrochen wird. Sind Frauen tatsächlich das friedlichere Geschlecht, das kein Interesse an kriegerischen Auseinandersetzungen hat?
Frauen und Frieden, oder doch Krieg?
Dafür spricht zum Beispiel die Entstehung des Internationalen Frauenfriedenskongresses 1915 – nachdem der 1. Weltkrieg ausgebrochen war. Die Frauen aus den verschiedensten Ländern sprachen sich für den Frieden aus und forderten, von der Politik gehört zu werden.
Auf der anderen Seite hat eine Studie zweier Politikwissenschaftler aus Chicago und Montreal ergeben, dass weibliche Herrscherinnen nicht die friedlichsten waren. Die Forscher haben 193 Regierungen aus Europa zwischen 1480 und 1913 untersucht. 34 dieser Regierungen waren unter weiblicher Herrschaft. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie Kriege führten, war 27-fach höher als bei männlichen Herrschern. Hups. Dass der Krieg schläft, hat also vielleicht doch nicht unbedingt etwas mit einer weiblichen Mutter Natur zu tun.
Wer schläft, tankt Energie
Aber was soll das überhaupt heißen, der Krieg schläft? Zunächst umgab mich beim Lesen ein wohliges Gefühl: Der Krieg schläft, er wütet nicht mehr. Alles ist gut? Dann aber habe ich darüber nachgedacht, was beim Schlafen eigentlich passiert: Man sammelt Kräfte, tankt Energie, ist bald bereit, aufzustehen und mit vollem Engagement weiterzuführen, was man zuvor schon getan hat.
Der Krieg schläft – heißt das also, der Krieg tankt Kraft? Wird mächtiger? Und zerstörerischer? Man könnte denken, dass im Laufe der Weltgeschichte genau das passiert ist: Der Krieg kam, ging, kam wieder, wurde wütender, größer, vernichtender. Doch die Statistiken zeichnen ein anderes Bild. Obwohl wir den Eindruck haben, in einer Welt voller Kriege und Zerstörung zu leben, sinkt die Zahl der Kriegstoten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs stetig.
Wir scheinen also in einer vergleichsweise friedlichen Welt zu leben. Schläft der Krieg gerade? Wenn ja, dann erscheint mir sein Schlaf trotz der Statistiken mindestens unruhig. Und was passiert eigentlich, wenn er erwacht?
Was ist Frieden?
Fragen über Fragen. Aber bevor wir alle uns diesen großen Themen zuwenden, darf ein Aspekt nicht vergessen gehen, nämlich die Frage danach, was Frieden eigentlich ist. Die bloße Abwesenheit von Krieg? Der Schlafzustand der kriegerischen Auseinandersetzung? Ich hoffe doch, dass das nicht so ist. Denn solch eine Definition würde dem Krieg zu viel Macht verschaffen. Vielleicht ist Frieden dieses berühmte Einssein mit unserer Umwelt. Mit den anderen Menschen – und mit Mutter Natur um uns herum.
Und weit darüber hinaus: Die größte Wirkung kann Frieden wohl haben, wenn er nicht bloß fördert, was sowieso schon gut ist, sondern wenn er sich eingehend mit dem beschäftigt, was nicht gut läuft. Wenn der Krieg wütet und zürnt und zerstört und rast, dann kann wahrer Friede wohl erst dann einkehren, wenn er den Krieg nicht mit gleichen Mitteln niederbrennt, sondern ihn fragt, wo der Schuh wirklich drückt.
Was ist los, Krieg?
Wenn Mutter Natur den Krieg zum geruhsamen Schlafen bringt, dann wird sie wohl davor mit ihm gesprochen haben, wird ihm ein schönes Bett bereitet und eine warme Decke gegeben haben. Denn nur so kann Friede etwas bewirken. Vielleicht sogar, dass der Krieg nach dem Aufstehen gar nicht mehr wüten will.
Und nun: Frohe Weihnachten euch allen!
1 Comment
Astridka
21. Dezember 2018 at 10:27Interessanter, anregender Blickwinkel!
Ein fröhliches, friedliches Fest wünscht
Astrid