Was ich als Mama anders machen wollte – und wieso ich gescheitert bin
Das Kind im Ehebett, mit zu hoher Stimme sprechen, Babykacke begutachten: Wie ich die Mama wurde, die ich nie sein wollte – und warum das trotzdem okay ist.
Ach ja, als ich noch kein Kind hatte, war ich eine großartige Mama. Eine, die nie in nervig säuselnder Babysprache gesprochen hat. Die ihr Kind nicht ins Ehebett ließ und der es egal war, welche Form oder Farbe Babykacke hat. Doch dann wurde ich nicht nur in meiner Vorstellung Mama, sondern in der Realität. Und da ist alles anders. Sieben Dinge, die ich als Mama nie tun wollte – und die jetzt zu meinem täglichen Leben gehören.
Familienbett
Ich habe die Worte meiner Hebamme noch genau im Ohr: „Eltern, die sagen: ‚Meine Kinder werden nie bei mir Bett schlafen’ sind immer die ersten, bei denen die Kinder im Bett schlafen!“ Ich streichelte meinen schwangeren Bauch und lachte selbstsicher in mich hinein. Das Kind im Ehebett? Soweit kommt’s noch! Gnädig genug, dass ich es bei uns im Zimmer im eigenen Bettchen schlafen lassen wollte. Und jetzt? Lege ich abends meine Klamotten auf das Babybett. Eine super Ablagefläche. Denn der Knirps liegt sowieso fast nie drin. Wo denn dann? Mitten im Ehebett. Von Anfang an. Aaaargh. Warum? Vor allem weil ich faul bin. Wenn der Milchvampir in der Nacht wach wird, klappe ich die Brust raus und dann wird gestillt und geschlafen. Aber wer ist eigentlich dieser Mann auf der anderen Seite des Babys? Ach ja, der ist dafür da, dass sich das Baby nicht aus dem Bett heraus rollen kann. Komisch. Irgendwie kommt er mir bekannt vor. Als würde ich ihn von früher kennen…
Kein Babysitter
Eltern, die nie einen Babysitter kommen lassen, um mal was zu zweit zu unternehmen? Vollidioten! Dachte ich jedenfalls, bevor ich ein Kind bekommen habe. Und jetzt? Ich Vollidiotin! Ach, geht doch, denken wir, mein Mann und ich. Die Kleine können wir doch mitnehmen. Zu dritt sind wir voll die coole Partytruppe, das wird super! Zu zweit ist doch eh langweilig. Das Geld für den Babysitter hauen wir lieber für Nachtisch auf den Kopf – das wird ja immer wilder hier! Oder kurz zusammengefasst: Ich Vollidiotin!
Babykacke begutachten
„Krass, wie viel so ein kleines Wesen scheißen kann!“ „Was hast du denn da für ein jämmerliches Stück Kacke in die Windel gemacht?“ „Bisschen fest heute, hast wohl nicht genug getrunken!“ Es ist unfassbar, dass man für jede Windelsituation den passenden Kommentar bereit hat. Und nicht nur das! Wenn ich gemütlich im Wohnzimmer sitze und mein Mann den Knirps wickelt, rutscht ihm auch immer wieder ein Kommentar dieser Art heraus. „Wow, nicht schlecht! So muss man erst mal kacken können“, höre ich dann zum Beispiel aus dem Flur, wo der Wickeltisch steht. Ich gebe es zu und bin nicht stolz darauf: Es ist schon vorgekommen, dass ich neugierig herbeigeeilt kam, um auch einen Blick auf den stinkenden Haufen zu werfen. Hat dieses Bedürfnis irgendwas mit Evolution zu tun? Bitte?!
Mit hoher Stimme sprechen
„Ja, magst du deinen Teddybär?“, frage ich mein Baby mit einer Stimme, die viel zu hoch für meine Verhältnisse ist. „Ja, magst du ihn?“, schiebe ich hinterher. Unfassbar! Nicht nur säusele ich mein Kind mit einer typischen hellen Babystimme voll, ich wiederhole sogar meistens alles was ich sage. „Wie geht’s dir denn, ja wie geht’s dir denn?“ „Jetzt gibt’s was zu essen, ja stell dir vor, jetzt gibt’s was zu essen!“ „Komm, wir gehen jetzt mal nach draußen! Nach draußen!“ Seit ich gehört habe, dass es Kindern beim Spracherwerb sogar hilft, wenn die Mama mit idiotisch hoher Tonlage spricht, nehme ich das einfach so hin. Angeblich reden Väter mit ihren Kindern ganz normal, auch das soll beim Spracherwerb helfen, wie ihr hier lesen könnt. Echt jetzt? „Wollen wir mal zusammen Gitarre spielen? Ja? Zusammen Gitarre spielen?“, höre ich eine viel zu hohe Männerstimme aus dem Wohnzimmer. So viel Solidarität hätte ich nicht erwartet!
Länger als sechs Monate stillen
Freaks! Dachte ich immer, wenn ich mal eine Mama gesehen habe, die ihr gar nicht mehr so kleines Baby gestillt hat. Eines, das auch schon Brei gegessen hat. Ich wollte sechs Monate lang mit meiner Tochter zu Hause bleiben, dann wieder arbeiten und nahm an, dass sie dann halt was anderes essen würde. Ich Narr! Neun Monate alt ist mein Knirps jetzt. Zwei zaghafte Versuche habe ich bisher unternommen, abzustillen. Aber der Kleinen schmeckt’s halt bei Mama am besten. Ich kann es verstehen. Mein Körper produziert Vanillemilch. Echt jetzt! Unfassbar leckeres Zeug. Ich sollte es abpumpen und im großen Stil in hippen Bechern in Biosupermärkten verkaufen. Das wäre der Renner! Ich sollte mal versuchen, meine Milch aufzuschäumen. Die würde jeden Latte Macchiato Milchschaum-Contest gewinnen. Und bei Starbucks würden sie bald fragen: Mit Kuhmilch, Sojamilch, Mandelmilch oder Eva-Milch? Und irgendein Banause würde rufen: „Freaks!“
Kinderlieder singen
Eine Freundin hat mir – lange bevor ich selbst ein Baby bekommen habe – mal erzählt, wie sie mit ihrer Tochter, einem Freund und dessen Kind im Auto saß und die ganze Fahrt lang Kinderlieder gesungen hat. Ich habe meinen Ohren kaum getraut! Sie war während des Studiums mein Musikidol. Die coole Christine, die für jedes angesagte Konzert und Musikfestival zu haben war. Und jetzt Kinderlieder? Eine musikalische Wüste irgendwo zwischen Vogelhochzeit und Weihnachtsbäckerei? Mir wurde fast schon schlecht. Kürzlich saß ich jedoch mit meinem Baby zu Hause. Mein Mann hatte eine Youtube Playlist angelassen. John Mayer und so. Ich war glücklich. Auf einmal aber wechselte das Musikangebot radikal: Old MacDonald had a farm. „Oink, oink“, machte ich und hampelte vor meinem Baby herum. Ich sang, lachte und tanzte mit meinem Baby. Das Kind in mir übernahm die Herrschaft, die Erwachsene in mir saß zusammengekauert in einer Ecke und hielt sich die Ohren zu. Nach diesem Ereignis sind beide Parteien noch mit Schlichtungsgesprächen beschäftigt.
Ständig zum Arzt gehen
Wie nervig, diese Mamas, die ständig mit dem Kind zum Arzt gehen. Weil es zu selten kackt, weil es zu oft kackt, weil es noch nicht krabbelt oder weil es keine Kartoffeln mag. Lasst doch eure Babys in Ruhe, dachte ich mir damals als kinderloser Mensch. Und danach? Bin ich zum Arzt gegangen, weil sie einen harmlosen Fleck am Arm hatte, weil sie rote Stellen in der Halsfalte halte – und immer wieder, weil sie eine leicht schiefe Stirn hatte. Heute kann ich sagen: Vielleicht sind die Ärzte von solchen Besuchen manchmal genervt. Aber hätte ich nicht genervt, dann wäre die Kraniosynostose meines Babys möglicherweise zu spät entdeckt worden. Mein Baby musste am Kopf operiert werden, wie ihr hier lesen könnt. Und ich kann dazu nur sagen: Als Mama macht man vieles anders, als man immer dachte. Aber am Ende ist das meistens doch das richtige. Also dann! Ich muss jetzt mal wieder gehen. Irgendwas riecht hier verdächtig! „Hast du Aa gemacht, Nora? Ja, hast du Aa gemacht? Mal sehen, wie das heute aussieht!“
3 Comments
Lia
24. Juni 2018 at 13:10…du bist so witzig! 🙂 Cooler schwarzer Humor 😀 Genau so ist es bei mir aber auch. Als das Baby dann da war war man auf einmal nicht so cool und souverän wie man sich das vorher ausgemalt hatte.
evamell
24. Juni 2018 at 20:57So ist es! Und es kommen ständig neue Phasen, die irgendwie bewältigt werden wollen 😉
Nina
29. April 2017 at 04:57Ja! Ja! Ja!
Der Artikel hätte von mir sein können ;))
Danke dafür.
Glg