Wie soll ich nur nennen, was in der Windel stinkt?
Warum ich die Ausscheidungen meines Babys benennen muss – und welche unbefriedigenden Möglichkeiten es dafür gibt.
Ausscheidungen: Großes Thema, wenn man ein Baby hat. Bevor ich Mama wurde, habe ich selbst stillschweigend erledigt, was zu erledigen war, habe weder viel darüber nachgedacht, noch ausschweifend darüber kommuniziert. Wenn ich meine Umwelt über meine Bedürfnisse informieren wollte, habe ich nur gesagt: „Ich gehe mal auf Toilette.“ Sonst nichts.
Dort angekommen habe ich mich stets beeilt, nicht dass die anderen noch darüber tratschen, was ich hier gerade mache. Also: Raus damit, Hose hoch, Geschäft runter, Fenster auf und wieder rein in die Gesellschaft. Und jaja, vorher natürlich Hände waschen. Mit Seife! Schon klar.
Nun gut. Jetzt aber habe ich ein Baby. Und das hat ständig die Windel voll. Ich sag euch: Mindestens drei mal am Tag ist die Kacke am Dampfen. Verdauung funktioniert. Aber mal ehrlich: Es wäre wohl schlimmer, wenn ich mich nicht ständig mit Kacke, Scheiße, Aa in allen Formen, Farben und Aggregatzuständen beschäftigen müsste. Denn was rein kommt, muss auch wieder raus. Ein verstopftes Rohr will niemand!
Mein Baby sagt aber nie: „Ich muss mal auf Toilette“, und verschwindet dann kurz mal, so wie ich es immer tue. Nein, es sitzt in seinem Hochstuhl oder liegt auf seiner Krabbeldecke, das Gesicht läuft rot an, es macht Geräusche der Anstrengung wie ein Tennisprofi bei Wimbledon, und irgendwann spielt es ganz entspannt weiter.
Ich rieche dann an der Windel, verziehe das Gesicht und kommuniziere mit meinem Baby, meinem Mann, meiner Mutter – oder wer auch immer gerade da ist – über die Stinkbombe. Es geht schließlich darum, wer dran ist, den noch nicht stubenreinen Nachwuchs zu wickeln. Was also sagen? Sie hat geschissen? Gekackt? Aa gemacht? Eine Wurst gemacht? Einen Stinker? Groß gemacht? Der Möglichkeiten sind viele. Sie erscheinen mir alle mangelhaft. Schauen wir mal:
Scheißen:
Wenn ich jedes Mal sage: „Sie hat geschissen“, oder: „Sie hat Scheiße in der Windel“, dann kann ich mich schon jetzt auf den Tag freuen, an dem mein Kleinkind angerannt kommt und durch die Menschenmenge ruft: „Mama, ich muss scheißen.“ Wahrscheinlich wird dann mein Gesicht rot anlaufen und ich werde Geräusche der Anstrengung machen. Das ist also keine Option!
Kacken:
„Boah, sie hat sowas von gekackt!“ Geht ja noch als Ausruf zu Hause in den eigenen vier Wänden. Das Kleinkind, das ein paar Jahre später im Restaurant ruft: „Mama, ich muss kacken“, geht aber gar nicht. Also diese Wortwahl lieber auch radikal einschränken. Oder sollte ich ihr auf so einen Ausspruch vor den Augen und Ohren der kritischen Gesellschaft ernsthaft antworten: „Och nee, so eine Scheiße. Ich wollte hier in Ruhe essen!“
Einen Stinker machen:
„Gutzigutzigu, hast du etwa einen Stinker gemacht?“ Ja, is klar. Und wenn ich nach dem Wickeln mit ihr rausgehe, zeige ich ihr die Welt so: „Guck mal, ein Wauwau. Nein, wir können nicht so lange stehen bleiben, wir wollen doch noch zur Weide, da ist die Muh-Kuh. Was hast du eigentlich in der Hand? Das ist Bäh! Wirf das da vorne in den Bäh-Bäh!“ Also nee, dann lieber Scheiße und Kacke sagen!
Eine Wurst machen:
„Hast du eine Wurst gemacht?“ Hmm, in einem vegan/vegetarisch orientierten Haushalt irgendwie die falsche Wortwahl. Die Kleine pumpt zwar auch immer mal Fleischbrei durch ihren Verdauungstrakt, aber vielleicht wäre es dennoch besser, den Ausdruck leicht abzuändern: „Hast du eine Tofuwurst gemacht?“ Wie passend! Die Dinger sind nämlich ungenießbar!
Stuhlgang:
„Ist da Stuhl in deiner Windel?“ Oder: „Hattest du heute schon Stuhlgang?“ Ich weiß nicht mal, wie man diesen Ausdruck korrekt benutzt. Ist mir irgendwie zu medizinisch. Und vor meinem inneren Auge erscheint jedes Mal ein Stuhl. Ich will mich bitte auch noch hinsetzen können, ohne jedes Mal über Babys volle Windel nachdenken zu müssen.
Groß:
„Hast du groß gemacht?“ Mal ehrlich: Ich fand es als Kind schon immer völlig lächerlich, wenn meine Freundinnen gesagt haben, sie müssten mal groß. Abwandlungen davon sind: „Ich muss mal für große Königstiger“ – und so weiter. Ich zwinge dann immer ein geheucheltes „Haha“ aus mir heraus. Also nein, das ist mir irgendwie zu blöd. Ich hingegen habe als Kind folgendes gesagt:
Aa:
„Ich muss mal Aa“, für mich als Kind war das Teil einer ganz normalen Kommunikation. Aber was soll das eigentlich? Aa? Wikipedia liefert mir eine schnelle Antwort. Diesen Kinderausdruck gebe es schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts.
Die Brüder Grimm haben ihn definiert: „aa, m. merda, excrementum, zweisilbig und zweimal betont, ein uraltes wort, dem nur zeugnisse abgehn, anständiger als die gemeinen ausdrücke koth oder dreck, jetzt aber nur wenn mit kindern oder vertraulich gesprochen wird im gebrauch: das ist aa! aa machen, seine nothdurft verrichten.“
Obwohl mir Aa auch eher wie eine Notlösung für die Bezeichnung der Notdurft vorkommt, werde ich in Zukunft wohl dieses Wort benutzen. Es hat mich und unfassbar viele Generationen von Kindern vor mir relativ unbeschadet durch die Kindheit geführt. Was will man mehr? Und irgendein Ausdruck muss eben sein. Apropos müssen: Ich muss mal.
Und weil der ganze Themenbereich so schön ist, lest ihr hier noch übers Pupsen!
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