Ernährung

Wie sehr sich Veganismus und Religion ähneln

Speisegebote gibt es in vielen Religionen. Der Veganismus kennt besonders viele.

Religion: Wie hältst du’s mit dem Veganismus?

Ist der Veganismus eine Ersatzreligion? Diese Überlegung stammt nicht von mir. Auf dem Kirchentag denken die Teilnehmer eines Podiums über diese Frage nach. Ich bin nicht dabei. Aber ich kann ja auch zu Hause nachdenken. Gemütlich im Bett. Laptop auf dem Schoß und neben mir ein Teller mit Avocado Brot. Göttlich!

Also, ist Veganismus eine Ersatzreligion? Beziehungsweise erst mal ganz ohne Ersatz: Ist Veganismus eine Religion? Mal sehen! Meine bescheidenen Ansätze des Vergleichs beschränke ich gerne aufs Christentum. Das erfüllt zwei Kriterien, die mir wichtig sind: Ist eine Religion – und: Kenne ich.

Der Mensch:

Der Mensch ist böse und schlecht. Er ist schuldig. Er tötet Tiere, um sie zu essen, er lässt sie für den Gemüseanbau über die Klippe springen und er beendet Leben, wenn er auf eine Ameise oder einen Käfer tritt. Und das schlimmste: Am Ende muss er selbst sterben. Auch das noch! Vielleicht als Strafe für den Tod, den er Zeit seines Lebens großzügig auf der Erde verteilt hat? Tod ist Sünde. Im Veganismus genau wie im Christentum.

Das Heilsversprechen:

Veganer leben ein ethisch korrektes Leben, machen sich nicht schuldig an anderen Lebewesen, treten ein für den Himmel auf Erden, für die Wiederherstellung des Paradieses, wo Fuchs und Hase einander Gute Nacht sagen. Sie überwinden den Tod. Vielleicht sogar ihren eigenen?

Neben den ethischen Aspekten grassieren in der Community jede Menge Versprechen in Bezug auf die Gesundheit der Anhänger dieser Ernährungsform: Veganer sind angeblich fitter als Omnivoren, es soll Leute geben, die den Krebs mit veganer Ernährung besiegt haben – ein Wunder!

Und immer wieder wird behauptet, dass Veganer länger leben als Menschen mit anderen Ernährungsphilosophien. Alles andere wäre ja auch unfair bei der Mühe, die sie sich geben. Auch im Christentum geht es um den Sieg über den Tod. Dort wird die Sache allerdings anders gelöst. Denn es gibt ein Problem an der ganzen Sache.

Das Problem:

Der Mensch ist und bleibt schuldig. So sehr sich auch ein Veganer bemüht, jedes Tier am Leben zu lassen – irgendwann wird eine Mücke auf seiner Windschutzscheibe sterben. Irgendwann wird seine Katze eine halbtote Maus nach Hause bringen und irgendwann wird er eine Kröte überfahren, weil er nicht gut genug aufgepasst hat. Ein Christ löst das Dilemma, indem er auf den Messias setzt. Aber wer ist der Erlöser der Veganer?

Der Messias:

Einen Messias scheint es im Veganismus nicht zu geben. Andererseits: Es gibt ganz viele! Und zwar alle Veganer. Warum? Sie leben uns ein Leben nach besonders strengen ethischen Maßstäben vor, sie verzichten auf tierische Produkte und unterstützen sich gegenseitig, wenn sie trotzdem Gelüste darauf bekommen. Sie verzweifeln schier ob der Sünde der Welt, aber sie geben nie auf, sondern laden ihre omnivoren Bekannten zum veganen Abendmahl ein.

Veganer sind die Erlöserfiguren unserer Zeit. Sie opfern sich auf, um auf derbe Missstände aufmerksam zu machen. Vielleicht glauben sie tatsächlich, dass ihnen irgendwann alle Welt folgen wird. Vielleicht auch nicht. Ich jedenfalls glaube: Sie hören nicht auf zu nerven, legen unentwegt ihre Finger in die Wunden unserer Zeit – und sorgen so dafür, dass wir alle immer wieder gezwungen sind, unser Leben zu hinterfragen und zumindest ein Stück weit zu ändern und ein kleines bisschen ethischer zu leben.

Die Mission:

Das Christentum ist eine Missionsreligion mit Absolutheitsanspruch. Na gut: Man kann sich sicher darüber streiten, wie der Absolutheitsanspruch zu verstehen ist und was Mission wirklich bedeutet. Aber wir wollen an dieser Stelle polarisieren und nicht allzu viel reflektieren.

Jedenfalls erscheint mir auch der Veganismus als eine Ernährungs- und Lebensphilosophie mit nicht zu leugnender Missionstendenz. In der Mai-Ausgabe des Vegan Magazins wird im Editorial dazu aufgerufen, das Magazin auch für Freunde und Bekannte zu kaufen, um sie von der veganen Idee zu überzeugen. Ich sag nur: „Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker.“

Und jetzt?

Ist der Veganismus eine Religion oder was? Ich weiß es nicht. Ist ja vielleicht auch egal. Achso, war da nicht auch noch was mit Speisegeboten bei Religionen? Naja, dazu vielleicht ein andermal. Ich mag nicht mehr. Mein Avocado Brot ist alle. Ich glaube, ich mache mir schnell noch ein paar rein pflanzliche Quinoa Taler. Die sind himmlisch, sage ich euch. Eine wahre Offenbarung! 

Wie sehr sich Veganismus und Religion ähneln
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2 Comments

  • Reply
    Ursula
    27. März 2018 at 20:22

    Na, ja, wesentliche Aspeke über das Fleischestums werden hier nicht mit angesprochen. Zum Beispiel:
    Die Verherrlichung des Fleisches, sie wird von den gläubigen Religions-Anhängern dem unschuldigen Kind bereits mit in die Wiege gegeben.
    Das religiöse Kuh-Milch-Dogma, dass Anhänger wie Nicht-Anhänger sich zu Frohe-Botschafter des Fleischestums berufen fühlen und eifrig mit Klingelbeutel(ab)gaben (der anderen) subventionieren.
    Die oft zwangsweise Bekehrung vegetarischer lebender Religions-Gemeinschaften oder Einzelner zum Fleischestum mit unbedingten Glaubensbekenntnis und Anerkenntnis des Kuh-Milch-Dogmas, mittels religionsuntermauernden Texten aus den Heilbringenden Wissenschaftsbüchern der Götter in Weiss.
    Das Dogma, das Fleischestum sei die erste, die einzige wahre, natürliche und gottgegebene Religion.
    Die weltweit erfolgreichste Missionsarbeit aller Zeiten – der Vertreter und Anhänger (Jünger) der Omnivoren-Religion, und deren Lehre bis heute und ungebrochen weitergegeben wird.
    Den Absolutsheits-Anspruch der eingeborenen äh… angeborenen Fleisches-Lust, die In-karnation d.h. Fleischwerdung.
    Der gegenseitige Ablasshandel, weil gottgewollt. Die Buße, mal einen Tag ohne Fleisch zu verbringen.
    Die tägliche Anbetung des Fleisches (Wurstes oder Käses) und die Brannt-Opfergaben, auch die des Nächsten lieben Angehörige, (Grillfeier) deren Gerüche und der Genuss tief hinab ins Innere der Gläubigen steigen, wo sie ein urtümliches Gefühl des Einsseins mit dem Fleisch erleben können und sich auf dem richtigen Weg wähnen.
    Die Angehörigen des Fleischestums fest im Glauben sind, dass totes Fleisch sie lebendig macht, sie regelrecht auferstehen lässt.
    Die Prediger und Missionare, die es täglich massenhaft in die Welt hineinpredigen, wie gut es für den Menschen sei, dass Tiere für ihr eigenes und das Wohl anderer getötet und geopfert werden. Von der Kanzel, über die Massenmedien… wann und wo immer möglich, nach überall hin wird die wahre Heils-Botschaft verbreitet, denn ein weiteres Dogma heißt… „der Zweck heiligt die Mittel.“ Mit Erfolg, keine Religion hat so viele und so gläubige Anhänger.
    Wer nicht fleisches-willig ist bekommt das Mal auf die Stirn und wird aus dem paradiesischen Fleischland verbannt, hinaus in das karge, langweilige Gemüse und Fruchtland, dass er im nichtvorhandenen Schweiße seines Angesichts nun mühevoll bestellen soll, ganz nach dem Willen des Götzenkalbs.
    Recht häufig werden Versuche unternommen -mitunter erfolgreich- die bösen Pflanzen-Geister auszutreiben, die den Körper und Geist voll in pflanzlichen Besitz genommen haben. Be-(ver)kehrung bis zum Glaubensübertritt mit anschließender Bekenntnis, dass nun wieder Fleisch das wahre Gemüse sei.

    Fazit: Fast alle sind Glaubensgemeinschaften, die von sich wahrscheinlich meinen, die Weisheit mit Löffeln gegessen zu haben 😉

    Lieben Gruß
    Ursula

    • Reply
      evamell
      31. März 2018 at 08:21

      Amen, Schwester! Es gibt eben verschiedene Religionen 😉

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