„Was passiert denn mit dem übrig gebliebenen Brot?“, hörte ich kürzlich einen älteren Herrn im Restaurant am Nebentisch fragen. Antwort der Bedienung: „Das können wir anderen Gästen nicht mehr geben. Das sind halt Hygienebestimmungen.“ Und er: „Was für eine Verschwendung! In Syrien verhungern die Kinder und hier wird das Brot weggeschmissen.“
Als ich noch Kind war, hieß es ja immer, Kinder in Afrika würden verhungern, wenn ich mein Brot nicht esse. Komisch. Immer sind es Kinder, die irgendwo sterben – und immer hat es was damit zu tun, ob wir hier unser Brot essen oder nicht.
Naja. Der alte Mann grunzte dann noch ein wenig vor sich hin und die Kellnerin zog mit dem restlichen Brot ab.
Ein Minenfeld aus Brot
Das Thema Brot ist ernsthaft ein Minenfeld. Ich kenne eine Person, die mal naiv genug war zu denken, sie könne ungestraft in aller Öffentlichkeit zugeben, dass sie manchmal Brot wegschmeißen muss, weil ihre Familie nicht alles isst, bevor es ungenießbar wird. Sie wollte gerne Tipps haben, was man mit hartem Brot machen kann. Das Resultat: Ein Shitstorm. Wie sie es wagen könne, Brot wegzuschmeißen! Undankbar! Schlecht erzogen!
Ich kenne einen Pfarrer, der in einem Erntedankgottesdienst zugegeben hat, dass bei ihm manchmal Brot schlecht wird. Seinen Schäfchen standen ungläubig die Mäuler offen.
Brot ist das wahrscheinlich heiligste aller Lebensmittel. Nicht, weil es sich in gewissen Situationen in katholischen Kirchen angeblich in Jesus höchstpersönlich verwandelt (Hey, dürfen Vegetarier und Veganer eigentlich am Abendmahl teilnehmen?!), sondern weil es das grundnahrungstigste Grundnahrungsmittel überhaupt ist. Krasse Wortneuschöpfung!
Heiligenschein aus Brot
Ich schätze, die meisten Scheißstürmer und empörten Kirchgänger sind wahrscheinlich scheinheilige Brothuldigende. Denn laut einer WWF Studie werfen die Deutschen jedes Jahr knapp 2 Millionen Tonnen Getreideerzeugnisse weg – das meiste davon in Form von Brot und Backwaren. Die größten Lebensmittelverschwender sind übrigens nicht die bösen Restaurants mit ihren Hygienevorschriften und auch nicht die Supermärkte, in denen ja eh immer zu viel Zeug rumsteht – sondern tödöööm: Wir! Von den 18 Millionen Tonnen Lebensmitteln, die jedes Jahr insgesamt in der Mülltonne landen, geht mit 7,23 Tonnen der größte Teil auf die Kappe der Endverbraucher.
Schnüff, auch ich gebe zu, dass ich schon Brot weggeschmissen habe. Aber ich habe mir schon lange angewöhnt, das Lebensmittel mit dem Heiligenschein in Scheiben geschnitten einzufrieren.
Aber ich lehne mich nicht zurück, ruhe mich nicht auf meinem Gutmenschen-Gewissen aus. Nein! Der meckernde Mann aus dem Restaurant hat mich inspiriert. Das ist doch de facto mein Brot, das übrig bleibt, wenn ich es nicht in Salatsauce oder Suppe tunke und aufesse. Ich bin zwar noch nicht so weit, dass ich der Bedienung sagen würde: „Können Sie mir das Brot einpacken?“ Aber ich mache es wenigstens selbst.
Brot wegschmeißen? Nein! Mitnehmen!
Ich wickle eine Serviette herum, so dass es fast aussieht wie der Herr Jesus im Grabtuch, und schmuggle es guten Gewissens aus dem Restaurant heraus. Zuhause ärgere ich mich manchmal, wenn ich es zwei Tage später halb vertrocknet in der Tasche wiederfinde. Aber wozu gibt’s Toaster?
Meistens aber kommt es zu Hause sofort ins Gefrierfach. Denn das heilige Brot hat eine Eigenschaft, die der Mensch noch lange nicht hat: Es kann sein Leben im gefrorenen Zustand erstaunlich verlängern. Auch wenn ich es Wochen später erst auftaue, ist es so saftig und wohlschmeckend als wie zuvor.
Also Leute! Brot aus dem Restaurant schmuggeln ist the next big thing! Macht mit, spread the thought, share the spirit und zeigt mir eure Brotfotos. Ich verspreche euch, das Einpacken hat etwas Verwegenes und macht das Leben gleich ein Stückchen aufregender. So, und jetzt genehmige ich mir erst mal eine Scheibe Schmuggelbrot und setze mir dabei meinen Heiligenschein auf, den ich ja einst wegen einer Mütze abgeben musste, falls ihr euch noch erinnern könnt.
2 Comments
Daniel
3. Dezember 2017 at 09:35Genau das hab ich vorgestern gemacht. Man mag es Diebstahl nennen, andererseits landet das Brot so eben nicht in der Tonne, sondern bei mir im Magen (ein paar Tage später). Für Komposterzeugung muss man ja nicht aufwendig Brot herstellen, das geht auch einfacher 🙂
evamell
5. Dezember 2017 at 19:18Sehr gut! An dieser Stelle bin ich voll pro Diebstahl 😉