Vielleicht sollte ich mir einen neuen, extrem gut bezahlten Job suchen, um die Welt zu retten. Denn ich will Effektive Altruistin sein. Warum nicht bei der NRA?
Ich habe es doch eigentlich ziemlich gut, oder nicht? Auf meinem Instagram Account seht ihr regelmäßig, welche ultra gesunden, super leckeren und absolut frischen Smoothiebowls ich mir zum Frühstück reinschaufle. Nährstoffe, Baby! Immunsystem, hier komme ich! Nennt mich Vitamin-Eva! Aber machen wir uns nichts vor. Während ich meinen Hochleistungsmixer anwerfe, verhungert irgendwo ein Kind. Ja ja, so ist es doch!
Wohin mit meinem Blutgeld?
Irgendwann im Leben kommt der Punkt, an dem man sich bewusst wird, dass es da draußen einen großen Haufen Leid zu lindern gibt. Man könnte ja in nachhaltige Geldanlagen investieren, um schon mal was Gutes zu tun. Könnte man. Immerhin habe ich eine Geldanlage, die fair für mich ist. Und als ich meinen Finanzberater gefragt habe, ob er auch Anlageprodukte auf ethischer Grundlage vorschlagen könnte, sagte er nur: „Spenden Sie doch lieber was.“ Gute Idee! Ich will das ganze Blutgeld sowieso nicht selber behalten. Aber für wen? Wohin? Oder soll ich mich lieber selber engagieren?
Es gibt ja die unterschiedlichsten Strategien, sich inmitten des weltweiten Elends ein bisschen besser zu fühlen. Die einen verteilen Flyer auf der Straße, die anderen reisen zu Demonstrationen, die nächsten Spenden immer schön zu Weihnachten, manche haben ein Patenkind in Syrien und wieder andere sind bei Bettlern im eigenen Wohnort großzügig. Wohin mit dem Geld? Was ist die effektivste Strategie?
Effektiver Altruismus: Robin Hood für Fortgeschrittene
Aha! Da haben wir auch schon das Stichwort. Ich bin kürzlich über die Lebensphilosophie des Effektiven Altruismus gestolpert. Ich sag mal Wow! Das sind Leute, die wollen wirklich so effektiv es geht der Welt helfen. Die können nur müde lächeln über Menschen, die aus Idealismus Sozialarbeiter werden wollen, um anderen zu helfen. Und natürlich auch über solche, die ihre Stunden reduzieren, um ehrenamtlich im Seniorenheim zu arbeiten. Ein freiwilliges soziales Jahr? Jede Woche Flüchtlingskindern Geschichten vorlesen? Ein paar Einkäufe an den Tafelladen spenden? Come on! Das bringt doch global gesehen nichts! Das geht doch besser, oder?
Effektive Altruisten verschwenden nämlich ihre Zeit nicht mit solcherlei Gutmenschentum. Sie verbringen am liebsten ihre gesamte Zeit im Büro und scheffeln Geld. Natürlich ist es völlig ineffektiv, als schlecht bezahlte Krankenschwester Überstunden zu machen. Klar, es ist immer noch möglich, Geld zu spenden, wenn man nicht besonders viel verdient. Aber lieber arbeiten Effektive Altruisten zum Beispiel bei Banken oder anderen großen Unternehmen, die ordentlich Schotter zur Verfügung haben.
Auf ihrer Internetseite schreiben die Effektiven Altruisten: „Einkommen: Je höher, desto besser.“ Ist das nicht bewundernswert? Effektive Altruisten arbeiten also zum Beispiel bei großen Banken, die für die Finanzkrise mitverantwortlich waren. Sie beraten dann bei ihrer Arbeit Kunden gezielt falsch, damit die Bank mehr Geld an den Personen verdient. So bekommen die Effektiven Altruisten, die dort arbeiten, höhere Boni und können das Geld an die Armen spenden. Ich bin gerührt. Ist das nicht genau wie bei Robin Hood? Sie nehmen das Geld von den Armen und geben es den Armen?! Oder wie war das noch gleich in der Geschichte?
Mehr Geld für hungernde Kinder
Damit Effektive Altruisten möglichst viel von ihrem Einkommen spenden können, leben manche von ihnen äußerst sparsam. In der Washington Post gab es mal eine Vorstellungsrunde von Effektiven Altruisten. Dort gibt es welche, die in einem durchschnittlichen Monat weniger als 200 US-Dollar für Lebensmittel ausgegeben haben. Das finde ich geradezu heldenhaft. So bleibt mehr Geld für hungernde Kinder auf der Welt.
Gut, es ist nicht anzunehmen, dass der Effektive Altruist besonders umwelt- und menschenfreundlich eingekauft hat. Da Bio- und Fair-Trade-Produkte für gewöhnlich eher teuer sind, ist sein Kühlschrank wahrscheinlich gefüllt mit Milch aus Massentierhaltung, Schinken von antibiotikaverseuchten Schweinen und stark gespritzten Früchten aus Monokulturen. Aber hey, der Effektive Altruist hat Geld gespart.
Es soll ja Menschen geben, die am Effektiven Altruismus dieses oder jenes zu kritisieren haben. Das kann ich überhaupt nicht verstehen. Und jetzt ist Schluss für heute, meine Zeit will noch effektiv eingesetzt werden. Ich werde eine Umschulung machen, denn in meinem jetzigen Job verdiene ich nicht genug Geld, um wirklich effektiv zu spenden. Ich dachte an einen neuen Job bei der NRA. Die können jetzt bestimmt Menschen gebrauchen, die ihnen helfen, so mächtig wie eh und je zu bleiben. Da kann ich bestimmt viel Geld verdienen. Außerdem betonen sie immer wieder, dass sie Freiheit und Sicherheit für alle wollen. Das ist super. Einfach super! Und ich bin jetzt schon glückselig, wenn ich daran denke, wie viele Menschenleben ich mit Hilfe des Gehalts aus solch einem Job in Zukunft retten kann.
2 Comments
Schmidt
10. Mai 2018 at 09:14Genau das ist Denken einfacher Menschen! Man bleibt lieber arm aber „fairttade“ Ich kauf nur Bio und aus der Umgebung, damit ich mich besser fühle. Zumindest bin ich besser als andere, die aus der Massentierhaltung einkaufen. Ich brauch kein SUV und kein Haus und keinen teueren Urlaub und keine neuen Schuhe für mein Kind. Ich kauf aus zweiter, dritter Hand. Ich trage Klamotten vier Jahre lang, bis sie alt und gammelig aussehen, denn ich bin ein guter Mensch, ich bin nicht verschwenderisch. Ist das nicht einfache Verdrängung, wenn man Freud liest? Man verschiebt auf den Anderen und die Anderen sind immer noch nicht die Bösen! Ja wer ist denn hier wahrlich der Böse? Vll.jemand, der die Lebensumstände so macht, dass ich nicht reich werden kann? Vll.sollte ich lieber für meine Rechte kämpfen und reich werden und nicht die ganze Zeit andere Arme bemitleiden? Wenn jeder für seine eigene Rechte kämpft und versucht eigenes Leid zu verringern, wird es vll.auch besser in dieser Welt?! Was ist denn mit dem Bildungssystem, dass es Menschen aus sozialschwachen Milieus schwer macht in der Gesellschaft aufzusteigen? Wer sind denn diese Lehrer, die nach dem Nasenfaktor entscheiden, welches Kind in die Realschule/Gymnasium darf? Wer sind denn diese Kitaleiter/inen, die entscheiden, welches Kind besser zu der Gruppe passt? Sind es vll.Menschen, die gerade über das Schicksal der Kinder entscheiden? Statt sich Gedanken über das Bildungssystem zu machen und wie die Steuergelder verteilt werden, gruppieren sich die neuen Rechten, neue Veganisten aus dem rechten Flügel und erzählen was von gutem Leben. Und schuld an der Missständen sind die Reichen? Schuld sind Menschen, die in einem demokratischem Land ihre Rechte nicht durchsetzen wollen, demonstrieren gegen Armut in anderen Ländern, demonstriert gegen Armut in eigenem Land! Die armen türkischen, russischen, polnischen Kinder, die hier benachteiligt und diskriminiert werden, bis ins Erwachsenenalter!
evamell
12. Mai 2018 at 20:18Ich kann der Argumentation nicht ganz folgen. Aber es kommen jede Menge Emotionen rüber 😉