Rezensionen

Hitler und die Flüchtlinge – Tuvia Tenenbom: Allein unter Flüchtlingen

Allein unter Flüchtlingen: Die neue Mission des Tuvia Tenenbom.

Ach ja, Deutschland und die Flüchtlinge! Es ist ein großes Thema, das von „Wir schaffen das!“ bis zum Wahlerfolg der AfD reicht. In dieses Pulverfass hat sich nun auch der Autor Tuvia Tenenbom geschmissen. Sein Buch zum Thema heißt „Allein unter Flüchtlingen“ – und soll die Frage beantworten, weshalb die Deutschen mehr Flüchtlinge aufgenommen haben als jedes andere Land in Europa.

Dafür hat sich der Autor in verschiedene Flüchtlingsheime eingeschleust und hat mit den dort lebenden Menschen gesprochen. Er hat Deutsche befragt, die ihm zufällig begegnet sind, und er hat Interviews von links bis rechts, von Gregor Gysi bis Frauke Petry geführt. Sein Fazit lautet: „Die Geschichte der Flüchtlinge in Deutschland lässt sich in vier Worten zusammenfassen: ‚Liebt mich! Helft mir!’ Zwei Völker, das deutsche und das arabische, bitten uns, sie zu lieben und ihnen zu helfen. Ist das nicht eine traurige Geschichte?“

Deutschland von außen

Das Besondere an „Allein unter Flüchtlingen“: Tuvia Tenenbom betrachtet die Deutschen aus einer gewissen Distanz, die sicher nicht schadet. Geboren ist er in Tel Aviv, er stammt aus einer deutsch-jüdisch-polnischen Familie und lebt seit vielen Jahren in New York. Deutschland ist schon seit Längerem ein beliebtes Untersuchungsfeld für ihn. Ein früherer Bestseller von ihm ist etwa das Buch „Allein unter Deutschen“.

Mit der Brille von außen streift er durchs Land und nähert sich den Menschen so unbedarft, wie es kein Deutscher könnte. Manche Leser finden es furchtbar, andere genau richtig: Tuvia Tenenbom geht neugierig und ohne Vorbehalte ins Interview mit Frauke Petry und lässt sich gerne vom Pegida-Gründer dessen Weltsicht erklären. Auf der anderen Seite entlockt er den Deutschen, die gerne Flüchtlinge aufnehmen wollen, die wahren Gründe für ihre großzügige Einstellung.

Hitler, Juden und Tuvia Tenenbom

Irgendwann im Gespräch fällt meist das Wort Hitler. Die Deutschen wollen Gutes tun, um sich von ihrer Schuld zu befreien und geliebt zu werden. Eine Obergrenze an Flüchtlingen erfährt er trotzdem von den meisten seiner Gesprächspartner. Und, so muss es bei einer Tuvia Tenenbom Recherche eben laufen, meistens sagen die Gutmenschen auch noch irgendwas Negatives über Juden.

Der Spiegel, den Tuvia Tenenbom uns mit „Allein unter Flüchtlingen“ vorhält, ist schonungslos, so wie die Spiegel in Umkleidekabinen. Problemzonen, Schwachstellen, Unebenheiten? Nichts wird verschwiegen. Aber das Buch ist ein absolutes Lesevergnügen, weil es mit Humor geschrieben ist – und wir engstirnigen Deutschen uns wahrscheinlich genau deswegen doch diesem Spiegelbild aussetzen. Auch wenn wir unsere vielen Problemzonen sehen, die Zornesfalte ist endlich wegradiert.

Wobei – ist der locker-flockige Schreibstil überhaupt humorvoll gemeint? In diesem Spiegel-Interview will sich Tuvia Tenenbom nicht als humorvoller Berichterstatter schubladisieren lassen.

Die Gedanken sind durcheinander

Tja, am Ende der Lektüre ist trotz leichtfüßigem Schreibstil, der – Humor oder nicht – die Mundwinkel immer wieder nach oben zucken lässt, klar, dass Tuvia Tenenbom genervt ist von den Deutschen, die sich für etwas Besseres zu halten scheinen und gleichzeitig Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen hausen lassen.

Ich muss auch erst mal drauf klarkommen, dass die Flüchtlinge, die Deutschland aufgenommen hat, hier zum Teil so leben wie es wirklich niemand am eigenen Leib erleben will – und dass Frauke Petry „eine deutsche Lady“ sein soll, „die sich was traut.“ Aber es ist immer gut, wenn die Gedanken durcheinandergewürfelt werden. Und das ist Tuvia Tenenboms große Kunst. Für alle, die noch mehr von ihm lesen wollen: Ich muss an dieser Stelle seine ZEIT-Kolumne „Fett wie ein Turnschuh“ empfehlen. Darin schreibt der Autor, der tatsächlich ein paar Pfunde weniger vertragen könnte, über verschiedene Möglichkeiten abzunehmen – und kommt am Ende immer wieder auf weltpolitische Themen zu sprechen.

 

Hier geht’s zum Buch „Allein unter Flüchtlingen“ von Tuvia Tenenbom beim Suhrkamp Verlag.

Hier könnt ihr das Buch bei Amazon bestellen. Das ist gut für mich, weil Amazon mir dafür ein bisschen was bezahlt, aber ansonsten eigentlich scheiße, weil Amazon böse ist. Vielleicht bestellt ihr das Buch lieber direkt beim Verlag oder bei eurer örtlichen Buchhandlung. Das mache ich seit einiger Zeit recht konsequent – und es ist sogar echt einfach, wie ihr auf der Webseite meiner Dorfbuchhandlung seht.

 

 

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